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2025-05-02T14:15:07Z

Berlin. Der Verfassungsschutz stuft die AfD als gesichert rechtsextremistisch ein. Der Schritt facht die Debatte um den Umgang mit der Partei an.
Sie haben Millionen Wähler, sie liegen in Umfragen auf einer Höhe mit der Union und teils sogar darüber – und sie sind eine Bedrohung für die Demokratie in Deutschland, jedenfalls nach der Einschätzung derer, die diese schützen sollen. Am Freitag wurde bekannt, dass der Verfassungsschutz nicht mehr nur Teile der AfD, sondern die gesamte Partei mit ihren rund 53.000 Mitgliedern als gesichert rechtsextremistisch einstuft. Es ist das erste Mal, dass eine so große und einflussreiche Partei – die AfD sitzt mit 152 Abgeordneten im neuen Bundestag – so beurteilt wird. Die Debatte um den politischen und juristischen Umgang mit der Partei wird damit kurz vor dem Regierungswechsel in der nächsten Woche neu angefacht.
Was hat der Verfassungsschutz zur AfD entschieden?
Einzelne Landesverbände der AfD und die Parteijugend Junge Alternative (JA) werden schon seit längerem von den Verfassungsschutzbehörden als gesichert rechtsextremistisch klassifiziert. Die Bundespartei hatte in den vergangenen Jahren den Status eines Verdachtsfalls. Der Verfassungsschutz prüfte in dieser Zeit, ob die AfD als Ganzes als extremistisch zu bewerten ist – und beantwortete diese Frage jetzt mit Ja.
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Wie begründet der Verfassungsschutz seine Entscheidung?
Im Kern mit der völkischen Gesinnung der Partei. „Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar“, heißt es dazu vom Verfassungsschutz. Dieses Verständnis ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen.
Das Bundesamt hat nach eigener Aussage das Programm und die öffentlichen Statements der AfD betrachtet, aber auch die Äußerungen und das Verhalten ihrer Vertreter und die Verbindungen der Partei zu rechtsextremen Akteuren und Gruppen. Dabei habe man insbesondere die drei Landtagswahlkämpfe im vergangenen Jahr, den Bundestagswahlkampf, die Bildung der neuen Bundestagsfraktion und das Verhältnis zwischen AfD und JA in die Analyse einbezogen.
Gefunden hat der Verfassungsschutz bei seiner Prüfung demnach eine Vielzahl von „fremden-, minderheiten- sowie islam- und muslimfeindlichen Äußerungen von führenden Funktionärinnen und Funktionären der Partei“. Die Behörde beschreibt eine „kontinuierliche Agitation“ gegen bestimmte Personen und Personengruppen. Ganz konkret nennt das Amt dabei die Verwendung von Begriffen wie „Messermigranten“.
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Was ändert sich mit der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch?
Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel – also zum Beispiel Observationen oder der Einsatz von V-Leuten – war den Verfassungsschützern schon erlaubt, als die AfD noch den Status eines Verdachtsfalls hatte. Grundsätzlich ändert sich an dieser Stelle mit der neuen Einstufung also nichts, die Schwelle für den Einsatz dieser Mittel sinkt aber.
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Wie fallen die Reaktionen aus?
Die AfD wirft dem Verfassungsschutz politische Motive für die Einstufung vor und will sich juristisch zur Wehr setzen. Die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla sprechen in einem Statement der Partei von einem zielgerichteten „Eingriff in den demokratischen Willensbildungsprozess.“ Die Partei hatte schon gegen die Einordnung als Verdachtsfall geklagt, war damit aber gescheitert.
Die Parteichefs Tino Chrupalla (links) und Alice Weidel, hier hinter dem parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, kritisierten die Einstufung durch den Verfassungsschutz. © REUTERS | NADJA WOHLLEBEN
Politisch hat die Entscheidung des Verfassungsschutzes eine neue Debatte um den Umgang mit der Partei entfacht. Grünen-Parteichef Felix Banaszak fordert angesichts der Einstufung ein Ende von Bestrebungen in Teilen der Politik, die AfD zu normalisieren: „Seit Jahren beobachten wir eine absurde Gleichzeitigkeit: Während sich die AfD immer weiter und offensichtlicher radikalisiert, normalisiert sich der Umgang mit ihr in Teilen der Parteienlandschaft“, sagte Banaszak dieser Redaktion.
Dabei hat er vor allem die Union im Blick. „Immer größere Teile der CDU denken offen oder verdeckt über Kooperation nach“, sagt er. „Das muss aufhören.“ Parteien der Mitte, sagt Grünen-Politiker, müssten Klarheit im Umgang mit der AfD finden: „Keine Zusammenarbeit, keine falsche Annäherung in Rhetorik und Programm und keine Relativierung des antidemokratischen Charakters“.
Unterschiedliche Bewertungen gibt es zwischen, aber auch innerhalb der Parteien bei der Frage nach einem möglichen Verbotsverfahren gegen die AfD. Während der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz Zweifel an einem solchen Schritt äußerte, sprachen sich unter anderem Dennis Radtke, Chef der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA), und Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) dafür aus.
Was heißt das für ein AfD-Verbotsverfahren?
Im alten Bundestag hatte eine Gruppe von Abgeordneten um den inzwischen aus dem Parlament ausgeschiedenen CDU-Politiker Marco Wanderwitz versucht, ein AfD-Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen, hatte dafür aber nicht die nötige Mehrheit. Das Parlament ist neben der Bundesregierung und der Länderkammer Bundesrat eines von drei Verfassungsorganen, das das Bundesverfassungsgericht anrufen kann für eine Prüfung, ob eine Partei verfassungsfeindlich ist.
Die Hürden für ein Parteienverbot sind in Deutschland hoch. Und aus juristischer Perspektive hat sich mit der Einstufung des Verfassungsschutzes an den Erfolgsaussichten eines Verbotsverfahrens nichts geändert, sagt Alexander Thiele, Professor für Staatstheorie und Öffentliches Recht an der Business and Law School Berlin. „Es handelt sich um unterschiedliche Verfahren, denen auch unterschiedliche rechtliche Maßstäbe zugrunde liegen“, sagt Thiele dieser Redaktion. Die Einschätzung des Verfassungsschutzes trage allerdings eine große Fülle an Material zusammen, die auch in einem Verbotsverfahren genutzt werden würde. Ob die AfD tatsächlich verfassungsfeindlich ist, würde aber vom Bundesverfassungsgericht vollständig eigenständig entschieden – und das Gericht könnte dabei durchaus zu einem anderen Ergebnis kommen als die Behörde.
Verfassungsfeindlichkeit allein ist zudem keine ausreichende Grundlage für ein Parteienverbot: Die AfD müsste dafür „ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch in aktiv-kämpferischer Weise verfolgen“, sagt der Verfassungsrechtler. „Das setzt allerdings nicht voraus, dass es zu Gewalttätigkeiten oder auch nur zu Rechtsbrüchen kommt.“ Ausreichend sei vielmehr bereits das aktive Werben für die verfolgten Ziele und das ständige öffentliche Auftreten, was bei der AfD gegeben sei.
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